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Gesundheit / Haltung

Der Huf – Wunderwerk der Natur

Inhalt

„Ohne Huf kein Pferd“ Wer kennt ihn nicht, diesen Spruch? Und doch steckt so viel Wahres dahinter. Nicht nur „ohne Huf kein Pferd“ sondern auch „ohne gesunde Hufe kein Pferd“, sollte es heißen. Leider wird dem Thema auch heutzutage noch viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet und es fehlt an allen Ecken und Enden an Grundlagenwissen. Darunter leiden unsere Pferde. Auch wenn es oft nicht so wirkt, Hufe haben einen enormen Einfluss auf das allgemeine Wohlbefinden unserer Pferde!

Oder würdest du gerne den ganzen Tag in zwickenden, unpassenden Schuhen herumlaufen und darin sogar Höchstleistungen bringen müssen?
Wie ein Huf aufgebaut ist, wie er aussehen sollte und welche Funktionen er übernimmt, klären wir in diesem Artikel auf. So kannst du selbst deinen Blick schulen und eventuell die Hufsituation deines eigenen Pferdes neu überdenken.

Anatomie


Über den Huf gibt es so viel zu sagen und zu lernen, dass wir an dieser Stelle klarstellen müssen, dass wir nur einen kleinen Überblick über die wichtigsten Aspekte bieten können. Die folgende Erklärung über die Anatomie des Pferdehufes ist also keinesfalls vollständig, bietet jedoch einen guten ersten Überblick über das Thema.

Wir gehen dabei von innen nach außen vor und starten mit dem knöchernen Aufbau.
Das Pferd hat sich über Jahrmillionen hinweg zum Zehengänger entwickelt und läuft heute nur noch auf der mittleren Zehe, umgeben von einer Hornkapsel (bei uns wäre das der Fingernagel). Die restlichen Zehen haben sich zurück gebildet bzw. sind nur noch rudimentär vorhanden in Form des Griffelbeins. Die nachfolgende Abbildung zeigt eine Übersicht über die knöchernen Anteile des Hufs:

Knöcherne Anteile des Pferdehufs (eigene Darstellung)

Mehrere Sehnen, Sehnenscheiden und Muskeln verbinden nun die Knöchernen Strukturen und bilden die Gelenke des Hufs. Auf diese gehen wir hier nicht näher ein, sondern zeigen sie nur im Überblick:

Grobe Übersicht der Sehnen und Gelenke im Pferdehuf (eigene Darstellung)

Wir möchten uns auf den Huf fokussieren. Für einen gesunden Huf sind zwar auch die darüber liegenden Strukturen wichtig, aber diese werden wir in einem separaten Artikel betrachten.


Bauen wir nun also die Schichten im Huf weiter auf. Eine wichtige Struktur, auf die wir später nochmal zu sprechen kommen, ist der Hufknorpel. Dieser liegt wie ein großes Kissen im Huf und ist zusammen mit dem Strahlkissen maßgeblich für dessen stoßdämpfende Funktion verantwortlich (Straßer,2004).

Anschließend legt sich die Huflederhaut um diese Strukturen. Die Huflederhaut ist ein faszinierendes Organ und durchzogen von unzähligen Blutgefäßen und Nerven. Sie ist ähnlich aufgebaut, wie andere Stoffwechselorgane und übernimmt tatsächlich auch Stoffwechselaufgaben. Sie ist z.B. auch bei typischen Stoffwechselerkrankungen wie der Hufrehe betroffen! Diesem Teil des Hufs eine möglichst uneingeschränkte Funktionalität zu gewährleisten, muss also Hauptaufgabe der Hufbearbeitung sein, egal wie diese aussehen mag.

Neben der Masse an Blut- und Lymphgefäßen, durchziehen den Huf aber auch dicke Nervenbündel. Der Huf ist also keinesfalls totes Gewebe, wie viele vielleicht glauben mögen. Er ist unfassbar empfindlich und reagiert auf kleinste Veränderungen! Eine unpassende Hufbearbeitung kann also auch sehr schnell zu unangenehmem Druckschmerz oder schlimmerem führen (bspw. immer wiederkehrende Strahlfäule bei Zwanghufen).

Um die Huflederhaut schließt sich nun schlussendlich die Kapsel mit dem Hufhorn. Das Horn selbst unterteilt sich in unterschiedliche Zonen. Generell wächst der Huf vom Kronsaum her nach unten, genau wie unsere Fingernägel aus dem Nagelbett nach oben wachsen. Das Horn bildet dabei feine Röhren, die sich bis nach unten zum Tragrand und der Sohle ziehen.
Interessant ist nun, wie die Huflederhaut mit der Hornkapsel verbunden ist. Beide Strukturen sind lamellenartig aufgebaut und greifen ineinander. Sie sind also durch ganz feine Lamellen ineinander verzahnt.

Schematische Darstellung der lamellenartigen Verzahnung von Huflederhaut und Hornkapsel (eigene Darstellung)

Somit „hängt“ das Hufbein quasi in der Hufkapsel und ist auf eine feste Verbindung dieser Lamellenhäute angewiesen. Ist diese Verbindung gestört, wird es schmerzhaft für das Pferd. (Bei der gefürchteten Hufrehe ist diese Verbindung gestört und es kann im Extremfall zum kompletten Ausschuhen kommen. Hierbei löst sich die komplette Hornkapsel von der Huflederhaut)

Kreislaufpumpe Huf

In den Huf und die Extremitäten des Pferdes fließt extrem viel Blut, das natürlich auch wieder zurück zum Herzen gepumpt werden muss. Hier weisen die Hufe des Pferdes eine besondere Funktion auf. Sie dienen nämlich, neben dem Herzen, als Kreislaufpumpe. Ohne diese Funktion ist es für den Pferdekörper extrem schwer, den ungestörten Blutfluss in den Extremitäten aufrecht zu erhalten und auch die Huflederhaut in ihrer Funktion als Stoffwechselorgan ist gestört.

Dieser Pumpmechanismus beruht darauf, dass die Hufkapsel sich bei jedem Auftreten des Hufs nach außen hin weitet. Für das menschliche Auge kaum bis gar nicht erkennbar. Beim Abfußen vom Boden zieht sich die Kapsel dann wieder etwas zusammen. So entsteht ein Pumpeffekt, der Kreislauf unterstützend wirkt.

Veränderung der Hufkapsel bei Belastung (eigene Darstellung)

Sinnesorgan Huf

Neben dieser Funktion ist der Huf aber auch Tastorgan für das Pferd. Durch die feinen Hornröhrchen, die über die Sohle – und bei Druck über die Eckstreben – den direkten Kontakt zum Boden haben, spürt das Pferd jede Unebenheit im Boden. Du kannst dir das ähnlich wie bei uns Menschen vorstellen: Barfuß spürst du auch jede kleinste Unebenheit und dein Fußgewölbe passt sich automatisch an. Bist du dieses Barfußlaufen nicht gewöhnt, kann es durchaus schmerzhaft sein, bis du an den nötigen Stellen Hornhaut gebildet hast. Gesünder für deinen Fuß ist es jedoch allemal.

Und genauso können wir uns die Thematik auch beim Pferd vorstellen. Es ist trotz scheinbar harter Hufkapsel extrem feinfühlig und der Huf gibt jede Information über die Bodenbeschaffenheit über die Muskelkette an den gesamten Körper weiter. Steckt im Huf also bereits ein Problem, kann sich das auch an ganz anderer Stelle auswirken, wie beispielsweise an der Schulter oder im Rücken.
Auch der Mensch sollte möglichst oft barfuß gehen und an einem gesunden Fußgewölbe arbeiten. Sonst sind Knie-, Hüft- und Rückenschmerzen oft die Folge.

Betrachten wir abschließend, wie die Form eines Hufes sein sollte, welche Strukturen von außen erkennbar sind und welche Aufschlüsse über die Hufgesundheit uns diese geben.

Schauen wir uns den Huf von der Seite an, kann man folgende Strukturen sehen und beurteilen:

Seitliche Ansicht das Hufs (eigene Darstellung)

Von unten betrachtet, kannst du diese Strukturen sehen:

Schematische Darstellung des Pferdehufs von unten (eigene Darstellung)

Ein gesunder Huf hat keine tiefen Querrillen oder Einbuchtungen auf der Hufwand, diese sind immer ein Zeichen für Veränderungen im Stoffwechsel. Sei es durch eine Futterumstellung oder eine Krankheit. Der Huf mit seiner Form und Ausprägung gilt deshalb auch als Spiegel der Ernährung. Auch eine Änderung der Art der Bearbeitung kann durchaus äußerlich in Form von deutlichen Querrillen sichtbar werden, diese wachsen sich aber meist problemlos aus.

Für alle, die es ganz genau wissen wollen, haben wir hier ein Video verlinkt, das eindrucksvoll die bisher beschriebenen Mechanismen des Hufs zeigt. Es ist zwar schon etwas älter, aber heute trotzdem noch genauso gültig.

YouTube Video „Blutzirkulation im Pferdehuf“

Wirkung von Eisen

Der Huf wächst im Schnitt etwa 7-8 mm alle vier Wochen – unbeschlagene Hufe wachsen meist schneller als beschlagene – (Ruthe et al., 1997) und ist beim Pferd erst im erwachsenen Alter komplett ausgewachsen! Je nach Rasse also erst mit etwa 7 Jahren. Ein Pferd mit 3 oder 4 Jahren schon zu beschlagen, behindert also immens das natürliche Wachstum und die Festigung der Hufstrukturen.

Viele Fragen sich, warum das Pferd nach einer Umstellung auf barhuf so immense Probleme hat; eine Ursache liegt eben genau hier, in dem viel zu frühen Beschlagen. Pferde mit guten Hufen bilden etwa im Alter von 5 Jahren den Hufknorpel um, der dann eine fasrige und somit festere Struktur aufweist (Huber, 2010). Auf den Beschlag sollte also zumindest bis zum Erreichen des erwachsenen Alters verzichtet werden, um dem Huf eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen.

Wir haben nun schon diskutiert, dass ein Beschlag vor allem bei jungen Pferden überdacht werden sollte. Man kann mit der korrekten Bearbeitung des Barhufs aber auch später alle nötigen Korrekturen erreichen, auch ohne den Einsatz von Eisen. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, meist steckt dann aber tatsächlich ein Krankheitsbild oder vorangegangene Unfälle dahinter. Wir gehen aber mal vom gesunden Pferd aus.


Hat man dem Pferd die Chance gegeben, sein natürliches Wachstum komplett abzuschließen und wurde dieses Wachstum bereits von einem erfahrenen BarhufbearbeiterIn begleitet, so stellt sich die Frage nach einem Beschlag mit Hufeisen meist gar nicht mehr. Der Huf hatte die Chance, sich an die Gegebenheiten anzupassen und ist diesen in aller Regel auch gewachsen.

Jetzt gibt es natürlich auch immer wieder das Argument, dass die Böden den Huf so sehr angreifen, dass ein Beschlag scheinbar nötig wird. Das kann es durchaus geben, sollte dann aber nur im Außenbereich sprich beim Ausritt der Fall sein. Und für diese kurze Zeitspanne (meist 1-3 Stunden) reicht es auch aus, auf einen alternativen Hufschutz auszuweichen. Hier bieten sich Hufschuhe an, die schnell und einfach zu verwenden sind.

An dieser Stelle lohnt sich auch der Vergleich zum Menschen nochmals. Es ist durchaus legitim für beispielsweise eine lange Wanderung gute Bergschuhe anzuziehen, um den Fuß optimal zu unterstützen. Aber hast du diese Schuhe auch zuhause noch an? Ähnlich möchte ich es beim Pferd sehen. Falls nötig, wird für die Zeit der Arbeit ein Hufschutz eingesetzt, zuhause im Stall darf das Pferd aber ruhig wieder barhuf unterwegs sein. Denn das ist schließlich der größte Teil des Tages.

Ein Hufeisen schränkt immer die zwei Funktionen des Hufes ein, die oben besprochen wurden: den Tastsinn und die Kreislaufpumpe.
Aber nicht nur der Tastsinn an sich wird eingeschränkt, auch die Möglichkeit des Hufs, Unebenheiten auszugleichen. Und das ist enorm wichtig für die Gesunderhaltung der darüber liegenden Gelenke. Die Verschiebung und Verformung der Hufkapsel auf Unebenheiten, die sich für alle darüber liegenden Gelenke schonend auswirken, wird durch ein starres Eisen verwehrt. Die Gelenke bekommen also direkt den Stoß vom Untergrund ab.

Oben: Ein Huf mit Eisenbeschlag
Unten: Ein unbeschlagener Huf; durch die Verformung der Kapsel, werden Unebeheiten ausgeglichen

Wenn du die Möglichkeit hast, fühle gerne mal die Temperatur eines beschlagenen und eines unbeschlagenen Hufs im Vergleich. Dir wird auffallen, dass der beschlagene Huf deutlich kälter ist und somit auch weniger durchblutet. Dass dadurch auch die Funktion der unterstützenden Kreislaufpumpe vermindert ist, sollte logisch sein (Straßer, 2004).

Es gibt durchaus Meinungen, dass ein Beschlag mit nur drei Nägeln pro Seite im Huf (statt 4-5), diesen Effekt der Kreislaufpumpe nicht bzw. deutlich weniger beeinflussen. Durch das Nageln des Hufeisen lediglich bis zur Mitte, soll der natürliche Prozess der Weitung der Hufkapsel erhalten bleiben.

Für mich persönlich bleibt aber trotzdem der starke Aspekt des Tastsinns und des Ausgleichs von Unebenheiten, welche durch einen Eisenbeschlag deutlich negativ beeinflusst werden.

Das Thema Hufeisen – ja oder nein? – ist ein großes Streitthema in der Pferdewelt und kann hier nicht vollständig ausdiskutiert werden. Du kannst aber sicher sein, dass dieser Artikel erst der Einstieg war. Es werden noch viele weitere folgen, die dann auch jeweils tiefer ins Detail gehen.

Fazit

Der Huf des Pferdes ist ein Wunder der Natur. Seine Funktionen sind unwahrscheinlich ausgeklügelt und es steckt viel mehr dahinter bzw. darin, als viele wissen. Leider herrscht noch immer große Unwissenheit in diesem Bereich, weshalb viele Pferde mit unpassendem Beschlag, Zwanghufen und oftmals Schmerzen umherlaufen. Oftmals sind sich die Besitzer gar nicht im Klaren darüber, dass der Huf eventuell Auslöser für so manch anderes Problem sein könnte. Rittigkeitsprobleme, Krankheiten und Unwilligkeit des Pferdes können durch eine unpassende Hufbearbeitung ausgelöst werden.
Der Huf hat es verdient, endlich weiter in den Vordergrund gerückt zu werden, auch in der Wahrnehmung von PferdebesitzerInnen, TherapeutInnen und ÄrztInnen. Er ist Anzeiger für Probleme im Pferdekörper, wenn man nur gelernt hat, ihn richtig zu lesen.

Quellen:

Huber, M. (2010). Zu jung für Eisen. Tierisch geheilt. 3/2010

Teschner, D. (2010). Eine Studie über das Hornwachstum bei an chronischer Hufrehe erkrankten Pferden. Freie Universität Berlin.

Ruthe, H., Müller, H. & Reinhard, F. (1997): Der Huf- Lehrbuch des Hufbeschlages. Stuttgart: Enke Verlag.

Straßer, H. (2004). Pferdehufe ganzheitlich behandeln: gesunde Hufe am gesunden Pferd. Georg Thieme Verlag