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Wie auch Menschen haben Pferde einen natürlich Rhythmus – der Tagesrhythmus des Pferdes unterscheidet sich allerdings von dem des Menschen.
Wildlebende Pferde und Pferde in naturnahen Haltungssystemen verbringen etwa 50-75% des Tages mit der Nahrungsaufnahme, 5-20% mit Stehen und Dösen und 5-15% mit von der Nahrungsaufnahme unabhängiger Bewegung (Zeitler-Feicht, 2008). In stabilen Herden werden diese und andere Verhaltensweisen meist synchron gezeigt, da sich die Stimmung der Herdenmitglieder aufeinander überträgt und gewisse Abläufe oft auch gewohnt sind. Schlafen – und besonders liegende Tiefschlafphasen – nehmen beim Pferd nur einen vergleichsweise kleinen Teil seiner Zeit in Anspruch.
Die Ursprünge
In einer naturnahen Haltung ändert sich dieser Rhythmus und vor allem das Aktivitätslevel der Tiere im Laufe des Jahres, da sie sich an ihre Umwelt anpassen und die nötigen (Entscheidungs-)Freiheiten haben, ihre Abläufe selbst zu gestalten.
Grundsätzlich unterscheidet man dabei circadiane und circannuale Rhythmen. Circadiane entsprechen einer Dauer von etwa 24 Stunden, circannuale etwa einem Jahr. Diese Unterscheidung ist wichtig, da sich die Abläufe im Pferdealltag abhängig von endogenen und exogenen Faktoren über das Jahr hinweg verändern.
Einige dieser Faktoren sind zum Beispiel Tageslichtlänge (großer Einfluss auf die Rosse!), Wetter (Temperatur, Wind, Niederschläge), Instektenbelastung und das verfügbare Nahrungsangebot. Studien haben gezeigt, dass wildlebende Pferde im Frühjahr und Herbst die Nahrungsaufnahme erhöhen, während sie hingegen in der kalten Jahreszeit ihren Stoffwechsel und ihr Aktivitätslevel herunterfahren und so Energie sparen (Zeitler-Feicht, 2008).
Wildlebende Pferde und Pferde eher urtümlicher Rassen (wie z.B. Exmoor Ponies, Koniks, Shetland Ponies) haben sich diesen ursprünglichen Rhythmus oft größtenteils erhalten, und kommen diesem auch heute noch nach – wenn die Haltungsform und die Nutzung durch den Menschen es zulässt oder externe Faktoren es nötig machen (Brinkmann et al., 2013). Es kann also durchaus sein, dass die Leistungsbereitschaft solcher Rassen im Winter abnimmt. Gegebenenfalls kann man ihnen eine Winterpause mit verringerter Trainingsintensität gönnen (Wendt, 2013).
Obwohl Pferde Gewohnheitstiere sind, verfolgen sie auch in freier Wildbahn keine starren Abläufe. Studien mit New Forest Ponies haben beispielsweise gezeigt, „dass der Tagesrhythmus je nach Witterungsbedingungen stark beeinflusst wurde. So wirkte sich z.B. der Grad der Bewölkung bzw. des Sonnenscheins auf Dauer und Lage der Ruhephasen aus“ (Wille, 2011).
Doch auch Pferde in menschlicher Obhut folgen bestimmten Rhythmen, die sich teils stark von denen ihrer wildlebenden Verwandten unterscheiden.
Der Tagesrhythmus des Pferdes – Bedeutung für Haltung und Training
Es liegt natürlich nahe, dass Hauspferde diesen natürlichen Rhythmen in vielen der gängigen Haltungsformen nicht nachkommen können (ein weiterer Grund, warum wir die Haltung in Offen- oder Bewegungsställen empfehlen). Probleme entstehen dann, wenn durch vom Menschen vorgegebene Abläufe große Abweichungen vom natürlichen Zeitbudget entstehen. Das wären unter anderem lange Fresspausen, eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten und zu wenig Sozialkontakt (Zeitler-Feicht, 2008). Diese Abweichungen können bei entsprechend disponierten Pferden zu Verhaltensauffälligkeiten und -störungen führen – oft spricht man hier von „Stalluntugenden“, die im Grunde meist nichts anderes sind, als das Ergebnis unzureichend befriedigter Bedürfnisse des Pferdes.
Box, kein Stroh + Heu rationiert (3kg) Box, Stroh + Heu ad lib.
Die gerade in Einzelboxenhaltung oft vorkommende Fixierung auf bestimmte Fütterungszeiten ist in der Regel ein angelerntes Problem und wir durch den Mangel anderer Reize verstärkt. Eine penible Einhaltung der Fütterungszeiten ist im Grunde nicht notwendig – eher sollten die Fresszeiten verlängert werden, zum Beispiel durch die Fütterung aus engmaschigen Heunetzen.
Außer mit einer angepassten Haltung kann der Mensch dem Pferd aber auch in der Gestaltung des Trainings entgegenkommen. Obwohl alle Pferde prinzipiell gleiche Bedürfnisse und ähnliche Tagesabläufe haben, hat doch auch jedes Pferd individuelle Vorlieben. Die einen machen gerne ein Mittagsschläfchen, manche dösen lieber am Nachmittag, wieder andere sind gerade dann am aktivsten.
Auch wenn die Trainingszeiten nicht immer nach dem favorisierten Tagesrhythmus des Pferdes planbar sind, sollte man doch versuchen, nicht völlig konträr zu handeln. Kommt man zum Beispiel zur eigentlichen Ruhezeit in den Stall, könnte man einen gemütlichen Ausritt dem Spring- oder Dressurtraining vorziehen. Andersrum bietet es sich an, anstrengende Einheiten auf Zeiten zu legen, in denen das Pferd ohnehin gerade aktiv ist.
Studien
Wer sich tiefergehend für das Thema der Abläufe und Rhythmen in natürlichen Haltungsformen interessiert, dem legen wir diese drei Studien ans Herz (Links in den Quellen):
- Tages- und Jahresrhythmus ausgewählter Verhaltensweisen von Araberpferden in ganzjähriger Weidehaltung (Kuhne, 2014)
- Tages- und Jahresrhythmus ausgewählter Verhaltensweisen von Przewalskipferden unter seminatürlichen Haltungsbedingungen (Wischer, 2009)
- Das Verhalten einer Pferdeherde (Liebenthaler Pferde) unter naturbelassenen Lebensbedingungen im Hinblick auf chronobiologische Aspekte, klimatische Einflüsse sowie deren Raumnutzung (Wollenweber, 2007)
Fazit
Der Tagesrhythmus des Pferdes hängt sowohl von endogenen als auch von exogenen Faktoren ab. Pferde möchten diesem Rhythmus gerne nachkommen, dies hat großen Einfluss auf ihr Wohlbefinden. Als Pferdebesitzer sollte man daher versuchen, dem Pferd hinsichtlich Haltung und Training möglichst viele Möglichkeiten zu geben, diesem natürlichen Rhythmus nachzukommen.
Quellen:
Brinkmann, Lea, Gerken, Martina, Riek, A. (2013). Adaptation strategies of Shetland ponies (Equus ferus caballus) to seasonal changes in climatic conditions and food availability. Züchtungskunde 85(1):58-73.
Kuhne, Franziska (2004). Tages- und Jahresrhythmus ausgewählter Verhaltensweisen von Araberpferden in ganzjähriger Weidehaltung. Dissertation an der Freien Universität Berlin.
Wendt, Marlitt (2013).Die Intelligenz der Pferde – Ein kluger Kopf unter jedem Schopf. Cadmos.
Wille, Marie Luise (2011). Einzelhaltung versus Gruppenhaltung – ein Vergleich zweier Pferdehaltungssysteme unter dem Aspekt des Wohlbefindens. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der tiermedizinischen Doktorwürde der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Wischer, Dirk (2009). Tages- und Jahresrhythmus ausgewählter Verhaltensweisen von Przewalskipferden unter seminatürlichen Haltungsbedingungen. Dissertation an der Freien Universität Berlin.
Wollenweber, Katja (2007). Das Verhalten einer Pferdeherde (Liebenthaler Pferde) unter naturbelassenen Lebensbedingungen im Hinblick auf chronobiologische Aspekte, klimatische Einflüsse sowie deren Raumnutzung. Dissertation an der Freien Universität Berlin.
Zeitler-Feicht, Margit H. (2008) Handbuch Pferdeverhalten. Ulmer.