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Haltung

Haltungsformen des Pferdes – Pro & Contra

Inhalt

Im Laufe der Zeit haben sich unterschiedliche Formen der Pferdehaltung entwickelt. Die größten Einflussfaktoren auf deren Entwicklung waren das jeweilige Klima, die Nutzung der Pferde und die Wünsche der Pferdehalter. 

Daher gibt es bis heute sehr unterschiedliche Arten der Pferdehaltung, von der Haltung von halbwilden Herden bis hin zur Einzelboxenhaltung.

Was für das eigene Pferd am besten ist, ist für Pferdehalter aufgrund der Vielzahl der Informationen und Meinungen nicht immer leicht zu beurteilen. In diesem Artikel sollen daher die in unseren Breiten am stärksten vertretenen Haltungsformen erklärt und ihre Vor- und Nachteile aufgezeigt werden.

Kriterien zur Beurteilung der Haltungsformen

Prinzipiell sollte sich die Wahl der Haltungsform vor allem nach den Bedürfnissen des Pferdes richten – wir sollten uns immer daran erinnern, dass das Pferd 24 Stunden am Tag in einer Lebensumwelt verbringt, die wir als Besitzer für es ausgesucht haben.

Zu allererst sollten wir uns also fragen, ob die Haltungsform den Grundbedürfnissen des Pferdes entgegen kommt. Zusammengefasst sind diese

  • Bewegung
    • Pferde brauchen viel Bewegung, um gesund und zufrieden zu bleiben. Dies kann durch Training allein nicht abgedeckt werden und sollte daher unbedingt in der Wahl der Haltungsform berücksichtig werden.
  • Ruhe
    • Insgesamt schlafen Pferde zwar sehr viel weniger als Menschen, dennoch brauchen sie natürlich ein gewisses Mindestmaß an Schlaf. Damit sich ein Pferd in Ruhe ablegen und genügend und gut schlafen kann, muss es sich einerseits sicher in seiner Umgebung fühlen und andererseits einen Platz haben, von dem es nicht gleich wieder durch andere Pferde vertrieben wird.
  • Fressen
    • Der Verdauungstrakt von Pferden ist darauf ausgelegt, über lange Zeitspannen hinweg laufend kleine Mengen an Nahrung aufzunehmen. Ist dies nicht möglich, sind häufig Koliken, Magengeschwüre und Verhaltensauffälligkeiten die Folge. Außer der Menge ist auch die Qualität des Futters unbedingt zu berücksichtigen.
  • Trinken
    • Pferde sollten rund um die Uhr Zugang zu frischem, sauberen Trinkwasser haben.
  • Sozialkontakt
    • Als soziales Herdentier brauchen Pferde unbedingt Sozialkontakt. Dessen Bedeutung kann gar nicht genug betont werden – Zeit mit anderen Pferden ist kein „Luxus“, sondern absolut notwendig für die psychische und physische Gesundheit unserer Pferde.
  • Licht & Luft
    • Pferde brauchen viel Licht und frische, saubere Luft – das Fehlen von letzterem ist ein Grund für die inzwischen leider so häufigen Lungenprobleme vieler Pferde (siehe auch: Was kann die Fütterung für die Lunge tun? von Ingrid Vervuert)

Denkt man näher über diese Bedürfnisse nach, liegt bereits auf der Hand, dass einige der bei uns gängigen Haltungsformen nicht mehr zeitgemäß sind und der körperlichen und geistigen Gesundheit unserer Pferde nicht gut tun.

Wichtig: Auch hier sollte wieder erwähnt werden, dass eine Praxis nicht “gut“ oder auch nur “in Ordnung“ ist, nur weil es häufig so gemacht wird. Wir lernen laufend dazu und wissen heute so viel mehr, also noch vor 10 oder sogar 5 Jahren.

Um für das eigene Pferd die beste Haltungsform zu finden, können folgende Kriterien zur Hilfe gezogen werden:

  • Arbeitsaufwand pro Pferd
    • Wie viel Aufwand ist die tägliche Versorgung pro Pferd und Tag? Hierzu zählen Fütterung, Misten und Kontrolle der Tiere. 
  • Handling
    • Wie bequem ist die Haltungsform für den Besitzer? 
  • Bewegungsmöglichkeiten
    • Hier zählt einerseits die Möglichkeit zur freien Bewegung und andererseits, wie viel das Pferd sich bewegen kann, ohne dass der Mensch eingreifen muss (z.B. durch Training oder auf die Koppel führen).
  • Sozialkontakt
    • Kann das Pferd von sich aus Sicht- und Körperkontakt zu anderen Pferden aufnehmen und arttypisches Sozialverhalten ausleben? Ist bei Bedarf andererseits die Möglichkeit gegeben, auszuweichen zu können?
  • Pferdegesundheit
    • Dieses Kriterium enthält bis zu einem gewissen Grad die Bewertung der Bewegungsmöglichkeiten. Zusätzlich zählen aber auch Dinge wie frische Luft und genügend Licht.

Wobei die letzten drei Kriterien deutlich mehr Einfluss auf die Entscheidung der Haltungsform haben sollten, da sie den Alltag des Pferdes prägen und somit seine physische und psychische Gesundheit stark beeinflussen.

Ein verantwortungsbewusster Pferdebesitzer wird im Zweifelsfall bei sich selbst Abstriche machen – denn das Pferd verbringt 24 Stunden am Tag in einer Haltungsform, auf deren Auswahl es keinen Einfluss hat. Der Reiter hingegen verbringt maximal einige Stunden pro Tag im Stall.

Einzelboxen

Pferdeboxen dienen der Einzelhaltung von Pferden und müssen laut Gesetz für ein 1,65m großes Pferd eine Minimalfläche von 10m2 mit einer kürzesten Seite von 2,5m aufweisen. Die jeweiligen Mindestmaße abhängig von der Größe der Tiere finden sich im Tierschutzgesetz. Der physischen und psychischen Pferdegesundheit zuliebe sollten diese Mindestanforderungen allerdings deutlich überschritten werden. 

Bei jeder Art von Boxenhaltung gilt, dass das Pferd das ganze Jahr über und unabhängig von der Witterung mindestens mehrere Stunden pro Tag auf Freiflächen verbringen können muss. Diese müssen so gestaltet sein, dass entsprechende Bewegungsmöglichkeiten und -anreize geboten werden können – das gilt auch für Sportpferde und Hengste!

Hinsichtlich der psychischen und physischen Gesundheit des Pferdes ist die (langfristige) Boxenhaltung grundsätzlich nicht zu empfehlen. Der Mangel an Bewegung, Licht, sauberer Luft und Sozialkontakt führt (unter anderem) zu Beschwerden des Bewegungsapparates, Erkrankungen der Atemwege, muskulären Verspannungen, Verdauungsproblemen bis hin zu Verhaltensauffälligkeiten und Schwierigkeiten im Handling (Niederhöfer, 2009 und Zeitler-Feicht 2008 und Bender, Ritter, 2008). Dies kann auch durch tägliche Arbeit nicht ausgeglichen werden, da diese erstens dem Bedürfnis nach freier Bewegung nicht nachkommt, und zweitens keine Möglichkeit bietet, artgemäßes Verhalten ausüben und Sozialkontakt pflegen zu können. 

Innenboxen ohne Fenster sind zwar noch erlaubt, nach heutigem Wissenstand aber nicht vertretbar. (Außen-)Boxen mit Fenstern und viel Koppelgang können in Ordnung sein, wenn die Koppeln entsprechende Bewegungsmöglichkeiten und -anreize bieten. Paddockboxen mit Kontakt zum Nachbarn kommen dem Bedürfnis des Pferdes nach Sozialkontakt, Licht und Luft deutlich besser nach als eine Box ohne Paddock, aber auch sie ersetzen keinen Koppelgang

Boxen können allerdings ratsam sein…

  • Wenn es sich z.B. um einen Verkaufsstall handelt, in dem keine stabile Herde entstehen kann (Beritt etc.). Koppelgang muss trotzdem ganzjährig gewährleistet werden.
  • Stundenweise in Schulställen, für die praktischere Handhabung der Pferde (Thema Sicherheit).
  • Für Eingewöhnungsphasen.
  • Für kranke oder verletzte Pferde. Auch hier müssen eine gewisse Abwechslung, Bewegungsmöglichkeiten und Sozialkontakt geboten werden. 
  • Stundenweise bzw. über Nacht für alte oder sehr rangniedere Pferde, um in Ruhe fressen und sich ablegen zu können. 
    • Aber Achtung: „Die Anwesenheit von Artgenossen kann sich positiv oder negativ auf die Liegedauer eines Pferdes auswirken.“ (Szivacz, 2012). Daher sollte immer die individuelle Situation der Pferde berücksichtigt werden! In einer sehr stabilen und ruhigen Herde legen sich alte Pferde mitunter lieber in Gesellschaft ab als alleine in der Box. 

Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Boxenhaltung meist nicht empfehlenswert, da durch den stark erhöhten Arbeitsaufwand laufend hohe Kosten entstehen. Bietet man den Pferden zudem – wie oben beschrieben – den nötigen Auslauf, wird dieser Aufwand durch das Hinausbringen der Pferde nochmals stark erhöht. Wenn man den Arbeitsaufwand pro Pferd und Tag in Relation setzt, schneidet die Boxenhaltung in der Regel am schlechtesten ab (von Borstel, Kassebaum, Ladewig, Gauly, 2010). 

Aber Achtung: Große, helle, gut belüftete (Paddock-)Boxen mit entsprechendem Bodenbelag sind einem (zu) kleinen und/oder matschigen Offenstall vorzuziehen, wenn zudem das ganze Jahr über viel Koppelgang gewährleistet werden kann. 

ProContra
Einfache Handhabung der PferdeBewegungsmangel
Stark eingeschränkte Sozialkontakte
Häufig: Schädigung der Atemwege und des Bewegungsapparates
Langeweile und Unausgelastetsein bis hin zu Verhaltensstörungen
Zeit- und kostenintensive Versorgung der Pferde
Luftqualität und Lichtmenge oft unausreichend
Pro & Contra der Haltungsform „Einzelbox“

Laufstall

Die Haltung in Laufställen kommt in unseren Breiten hauptsächlich für die Unterbringung von Jungpferden und Zuchtstuten zum Einsatz. Diese Haltungsform kommt dem Bedürfnis nach Sozialkontakt sehr viel besser nach, als die herkömmliche Boxenhaltung. Da die Pferde aber meist keinen (ständig verfügbaren) Zugang ins Freie haben, muss durch eine entsprechend großzügige Gestaltung der Fläche eine Ausweichmöglichkeit geboten werden. Auch bei der Haltung im Laufstall muss auf genügend Koppelgang geachtet werden!

ProContra
Ständiger SozialkontaktIndividuelles Handling der Pferde erschwert
Weniger arbeitsintensiv als BoxenNur für sehr stabile und harmonische Herden geeignet
Pro & Contra der Haltungsform „Laufstall“

Offenstall

Bei der Offenstallhaltung stehen den Pferden rund um die Uhr sowohl der Zugang in den Stall, als auch der Zugang zu Freiflächen zur Verfügung. Für die Innenflächen gelten für das erste Tier die gleichen Mindestmaße wie für die Boxenhaltung, für jedes weitere eine Abstufung davon. Für die Freiflächen sieht das Tierschutzgesetz keine Mindestmaße vor, wobei auch hier gilt: Je größer, umso besser. Margit Zeitler-Feicht empfiehlt z.B. in ihrem Werk „Handbuch Pferdeverhalten“ für eine Gruppe von unter 6 Tieren eine Auslauffläche (=exkl. Stall) von mind. 300m2. 

Bei richtiger Ausführung und Pflege der Anlage stellen Offenställe eine sehr tiergerechte Haltungsform dar. Sie bieten den Pferden rund um die Uhr Möglichkeiten zu Bewegung und Sozialkontakt und wirken sich äußerst positiv auf die Pferdegesundheit aus. 

Fressende Pferde im Offenstall
Fressende Pferde im Offenstall

Da sich die Pferde in Offenställen die gleichen Futter- und Wasserstellen teilen, ist unbedingt darauf zu achten, dass auch rangniedere Tiere immer Zugang dazu haben. Dies lässt sich am besten bewerkstelligen, indem man mehrere Trink- und Fressgelegenheiten parallel anbietet. Gleiches gilt für die witterungsgeschützten Flächen im Stall – im Zweifelsfall sollte eine separate Weidehütte aufgestellt werden, damit jedes Pferd bei jedem Wetter Zugang zu Sonnen- oder Wetterschutz hat. Bei der Planung von Offenställen sind Engstellen und spitze Winkel zu vermeiden, um das Verletzungsrisiko zu minimieren und den Zugang zu allen Ressourcen zu gewährleisten (Zeitler-Feicht, 2008).

In unseren Breiten muss außerdem der Boden rund um den Stall sowie Futterraufen und Tränken befestigt werden, um den Pferden (halbwegs) trockenen Zugang dazu zu ermöglichen. Matsch im Offenstall kann die Hufe schädigen und Beschwerden wie z.B. Mauke hervorrufen. Wenn der Schlamm friert, können außerdem scharfe Kanten entstehen an denen sich die Pferde verletzen können. 

ProContra
Ständiger SozialkontaktErstanlage kann aufwändig sein
Bewegungsmöglichkeiten 24/7
Zeitsparende Versorgung der Pferde
Pro & Contra der Haltungsform „Offenstall“

Bewegungsstall

Ein Bewegungsstall bietet den Pferden – wie der Offenstall – rund um die Uhr Zugang zu Stall und Freiflächen. Zusätzlich werden den Pferden durch eine entsprechende Planung und größere Flächen aber auch noch Bewegungsanreize und Beschäftigungsmöglichkeiten geboten. 

Bekannte Beispiele für Varianten des Bewegungsstalls sind Aktivställe sowie Paddocktrails. 

Prinzipiell ist die Haltung im Offen- oder Bewegungsstall anderen Varianten vorzuziehen – selbst (und ganz besonders) für erfolgreiche Sportpferde eignen sich diese Haltungsformen, vorausgesetzt die Herdenzusammenstellung stimmt und der Stall wird fachmännisch geführt. 

ProContra
Artgerechteste Haltungsform für regelmäßig genutzte PferdeRelativ große Flächen notwendig
Sehr gesundErstanlage kann aufwändig sein
Ständiger Sozialkontakt
Bewegungsmöglichkeiten 24/7
Zeitsparende Versorgung der Pferde
Pro & Contra der Haltungsform „Bewegungsstall“

Weitere Haltungsformen

Der Vollständigkeit halber sollen hier auch noch die reine Weidehaltung sowie das Alpen der Pferde Erwähnung finden. 

Die reine Weidehaltung ist in unseren Breiten sehr selten, in Großbritannien z.B. hingegen recht üblich. Einer der Gründe dafür ist das dort mildere Klima, sowie die meist deutlich größeren zur Verfügung stehenden Flächen. Oft wird den Pferden dabei keinerlei künstlicher Unterstand geboten. So gehaltene Pferde werden allerdings meist nur wenig oder gar nicht reiterlich genutzt.

Haflinger auf der Alm

Das Alpen der Pferde, wie im Österreichischen und Süddeutschen Raum üblich, beschränkt sich auf die Sommermonate. Dazu werden die Pferde mit dem Almauftrieb im Frühjahr auf die Hochweiden gebracht, wo sie sich meist selbstständig zu kleinen Gruppen organisieren. Zugefüttert wird in der Regel nicht, allerdings werden die Tiere regelmäßig auf Zustand und Verletzungen kontrolliert. 

Die Sommer auf der Alm sind aufgrund der vielen und intensiven Bewegung, der Ernährung auf Bergwiesen und des uneingeschränkten Auslebens natürlicher Verhaltensformen sehr gesund für die Tiere. Insbesondere für Jungpferde ist das Alpen zu empfehlen, da es den Bewegungsapparat stärkt und die Trittsicherheit und Koordination fördert

Fazit

Unser absoluter und klarer Favorit ist ein gut geplanter Bewegungsstall. Er kommt den Bedürfnissen des Pferdes am nächsten und sorgt für physisch und psychisch ausgeglichene und gesunde Tiere. 

Wo eine solche Haltung nicht möglich ist, liegt es am Besitzer, das beste aus den Gegebenheiten herauszuholen – das bedeutet, dass dem Pferd konstant Bewegungsmöglichkeiten und Sozialkontakt geboten werden müssen. 

Quellen:

Bender, Ingolf, Maria Ritter, Tina (2008). Praxishandbuch Pferdegesundheit. Kosmos.

Vervuert, Ingrid (2018). Heulage und Co.: Was kann die Fütterung für die Lunge tun? pferde spiegel 2018; 21(03): 107-114. Georg Thieme Verlag KG Stuttgart.

Zeitler-Feicht, Margit H. (2008). Handbuch Pferdeverhalten. Ulmer.

Mag.a Barbara Szivacz (2012). Untersuchung zur Offenlaufstallhaltung von Pferden unter dem Aspekt des Zusammenhangs zwischen Haltung und Gesundheit. (Inaugural-Dissertation zur Erlangung der tiermedizinischen Doktorwürde der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München).

Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für 1. Tierhaltungsverordnung, Fassung vom 17.03.2021

Uta K. von Borstel, Lena Kassebaum, Katrin Ladewig und M. Gauly (2010). Arbeitszeitaufwand in der Pferdehaltung: ein Vergleich von Einzelboxen-, Laufstall- und Bewegungsstallhaltung. Züchtungskunde.