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Fütterung / Gesundheit

Böser Hafer? Das traditionelle Kraftfutter unter der Lupe

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„Den hat doch der Hafer gestochen!“
Wer kennt diesen Spruch nicht? Er hat dazu beigetragen, dass viele Pferdehalter heute davor zurück schrecken dem eigenen Pferd Hafer zu füttern. Die Fütterung mit Hafer ist oft damit assoziiert, das Pferd „verrückt“ zu machen und „aufzuheizen“. Und gerade Pferdebesitzer, die ein Energiebündel oder einen nervösen Vierbeiner im Stall stehen haben, meiden daher das Füttern von Hafer oft wie die Pest. Dagegen sind Müslis im Trend, die oft teuer, hoch verarbeitet und mit viel zu viel Zucker versetzt sind.
Aber ist diese Verteufelung des Hafers als Kraftfutter für das Pferd gerechtfertigt?

Braucht mein Pferd überhaupt Kraftfutter?

Diese Frage sollte sich jeder Pferdebesitzer zu aller erst stellen. Denn nicht jedes Pferd braucht bzw. profitiert von der Fütterung von Kraftfutter, manchen schadet es sogar.

Das hängt zunächst natürlich sehr von der Rasse und der zu leistenden Arbeit ab. Gehört dein vierbeiniger Partner einer eher robusten und leichtfuttrigen Rasse an und muss am Tag nicht mehr als 1-2 Stunden leichte Arbeit verrichten, dann kann es gut sein, dass du gar kein Kraftfutter füttern musst. Das heißt jedoch nicht, dass nicht eventuell andere Zusätze wie ein gutes Mineralfutter nötig sind. Das hängt sehr von der Rauhfutterqualität ab und der Region, in der ihr lebt.

Bist du nun aber BesitzerIn eines eher schwerfuttrigen Pferdes, das vielleicht auch noch etwas größer ist, dann kann eine Fütterung von Kraftfutter nötig bzw. unterstützend sein. Nimmt dein Pferd bei Heu ad libitum trotzdem ab bzw. nicht zu und bleibt sehr dünn, dann solltest du dringend über ein Zufüttern nachdenken.

Ausschlaggebend ist jedoch meist zum großen Teil die Leistung, die dein Pferd erbringen muss. Ist es dein Freizeitpartner, mit dem du täglich ausreiten gehst bzw. nur leichte Arbeit verrichtest? Oder seid ihr ambitionierte Sportler und dein Pferd muss außergewöhnlich schwere Arbeit verrichten? Je nach dem ist der Leistungsbedarf deines Pferdes mehr oder eben weniger erhöht und kann unter Umständen nicht mehr über das Rauhfutter gedeckt werden.
Und dann spielt die Qualität des Rauhfutters eine enorme Rolle, die nicht außer Acht gelassen werden sollte!

Achtung: Der Ernährungszustand deines Pferdes hängt nicht allein von der Art und Menge des Futters ab! Wie bei uns Menschen auch, haben Stress und Krankheiten (bekannt oder unbekannt) einen großen Einfluss auf die Futterverwertung. Und auch die Haltungsform spielt eine Rolle – gibt es Stress in der Herde und dein Pferd kommt nicht ans Futter? Wird in der Einzelbox vielleicht zu wenig gefüttert und die halbe Nacht hat dein Pferd Hunger? All diese Faktoren und mehr sollten abgecheckt werden, bevor du eine Futterumstellung in Betracht ziehst.

Du kannst größere Futterumstellungen auch immer mit deinem Tierarzt besprechen und solltest das auf jeden Fall immer tun, wenn du dir unsicher bist!

Was steckt drin im Hafer?

Von den in der Pferdefütterung verwendeten Getreidesorten – Hafer, Gerste, Mais – wird in Europa bevorzugt der Hafer verfüttert. Er zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an Stärke, mittleren Eiweißmengen (~ 10 %) und mäßigem Fettgehalt (~ 2-5 %) aus. Da nur die Stärke des Hafers aus mittelgroßen Granula besteht, die im Dünndarm gut verdaulich sind, wird die Fütterung von Hafer bevorzugt. Dieser muss zudem nicht unbedingt behandelt werden. Die Stärke aus Gerste und Mais muss hingegen durch starke mechanische Einwirkung oder Wärmebehandlung verdaulich gemacht werden.

Hafer wird in der Regel sehr gut von unseren großen Vierbeinern angenommen. Durch den hohen Spelzenanteil und seine Größe wird er meist gut gekaut und bedarf bis zum Ende des Dünndarms keiner besonderen Zubereitung, da die Verdaulichkeit sehr hoch ist ( > 80 % ). Hafer enthält außerdem hohe Mengen an ungesättigten Fettsäuren und Schleimstoffe, die sich günstig auf die Verdauung auswirken.
Inhaltsstoffe, die sich nachweislich auf den Charakter oder das Temperament des Pferdes auswirken, konnten wissenschaftlich bisher nicht nachgewiesen werden!

Natürlich kann Hafer jedoch auch jederzeit komplett durch ein anderes (Misch-)Futtermittel ersetzt werden.

Hafer - Gerste - Mais
Hafer, Gerste und Mais (von links nach rechts) in ihrer unverarbeiteten (getrockneten) Form. In dieser Form kann nur der Hafer ohne weitere Verarbeitung verfüttert werden.

Aufpassen musst du bei der Lagerung und Fütterung von relativ frischem Hafer. Da Hafer durch seine tiefen Spelzfalten viel Wasser einlagern kann, ist er relativ empfindlich auf Pilzbefall (Schimmel). Getreide sollte generell frühestens 8-10 Wochen nach der Ernte verfüttert werden, besser noch später. Eine Prüfung des Getreides sollte regelmäßig stattfinden – Geruch und Aussehen geben dabei schnell Aufschluss auf die Qualität. Riecht das Getreide sauer, ranzig oder muffig, sollte es nicht mehr verfüttert werden!
Ansonsten ist Hafer in unverarbeiteter Form gut zu lagern. Wird der Hafer jedoch gequetscht (Frucht- und Samenschale geöffnet) oder geschrotet, so ist er weniger lang haltbar. Die für Mikroorganismen nötigen Nährstoffe aus dem Korninnern sind dann frei zugänglich.

Wie viel Hafer braucht mein Pferd?

Wie viel Hafer du deinem Pferd zufüttern solltest, kommt ganz auf sein Alter, die Rasse und die zu erbringende Leistung an. Die meisten Pferde (gerade im Freizeitbereich) werden selten so schwer gearbeitet, dass sie Unmengen an Kraftfutter benötigen. Meist reicht sogar die Deckung des Bedarfs über das Rauhfutter.
Wird nun aber mehr Energie benötigt empfiehlt sich folgende Dosierung:

Übersicht Fütterungsempfehlung Hafer (eigene Darstellung)

Aufpassen musst du, wenn dein Pferd viel zusätzliche Energie braucht, du also viel Hafer zufütterst. Denn je mehr Hafer gefüttert wird, desto ungünstiger ist das Calcium/Phosphor Verhältnis. Dann muss mit dem passenden vitaminierten Mineralfutter gearbeitet werden. Alternativ kann auch ein Ergänzungsfutter/Mischfutter verwendet werden, das die passenden Werte hat. Dieses wird oft besser angenommen als ein reines Mineralfutter. Anteilig muss dann jedoch auch die Haferration gekürzt werden, sonst ist der Energieüberschuss zu groß.

Fazit

Die Fütterung von Kraftfutter ist ein heiß diskutiertes Thema in der Pferdewelt. Was für dein Pferd das richtige ist, kommt immer sehr auf folgende Faktoren an:

Rasse, Alter, Gesundheit, Qualität des Raufutters, Herdenstruktur, Haltungsform, tägliche Arbeit

Fakt ist jedoch, dass der Hafer als alleiniges Kraftfutter zu Unrecht verteufelt wird. Er bietet dem Pferd energetisch alles, was es braucht und ist zudem einfach zu lagern und zu füttern. Bevor du also zu einem teuren Müsli greifst mit zig Inhaltsstoffen, von denen du die Hälfte nicht kennst, lohnt es sich über die Gabe von Hafer nachzudenken.

Quellen:

Meyer, H. & Coenen, M. (2002). Pferdefütterung. (4. erw. und aktualisierte Auflg.) Berlin: Parey.