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Haltung

Die 4 größten Herausforderungen in der kommerziellen Pferdehaltung

Inhalt

„Mit Pferden kann man ein kleines Vermögen machen – wenn man vorher ein großes hatte!“

Dieser Spruch kursiert nicht ganz zu Unrecht durch die hiesigen Reitställe. Die Pferdebranche lebt vor allem von Menschen, die mit Herz und Seele dabei sind. Die ihren Beruf aus Leidenschaft ausüben und nicht selten Tag und Nacht bereit stehen, wenn ein Schützling besondere Betreuung braucht. Das ist gut so, denn professionelle Pferdehaltung erfordert sehr viel Zeit, Erfahrung, Fachkenntnis und Gespür. 

Genau da liegt aber auch der Haken an der Sache: Jeder Pferdehalter, und sei er noch so leidenschaftlich bei der Sache, muss von etwas leben können und seinen Einsatz finanziell abgegolten sehen. Wirtschaftlichkeit ist nach wie vor ein Thema, das in der Pferdewelt viel zu wenig Beachtung findet. 

In diesem Artikel geht es um die Herausforderungen in der kommerziellen Pferdehaltung, in einem der folgenden Beiträge widmen wir uns dann dem Thema Wirtschaftlichkeit. 

Für diesen Artikel legen wir fest, dass wir mit „kommerzieller Pferdehaltung“ jede Art von Haltung meinen, die auf Gewinn abzielt. Dazu gehören klassische Einstell- und Schulbetriebe genauso wie Züchter oder Verkaufsställe. Private Pferdehaltung am Haus oder Zucht aus Liebhaberei zählen wir nicht dazu. 

Die größten Herausforderungen in der kommerziellen Pferdehaltung lassen sich grob auf die folgenden Bereiche aufteilen:

  • Kosten
  • Zeitaufwand
  • Geringe Flexibilität
  • Potentiell schwierige Kunden

Dieser Beitrag soll angehende Stallbetreiber natürlich keineswegs abschrecken – aber es ist wichtig, sich im Vorhinein Gedanken zu machen, ob und welche Form der Arbeit mit Pferden die richtige für einen ist.

Kosten

Eine der größte Schwierigkeiten stellen die mit der Pferdehaltung verbundenen hohen Kosten dar. Das beginnt bereits bei der Unterbringung der Pferde: Stallbau und Grunderwerb sind teuer und mit den Initialkosten ist es nicht getan. Ställe, Koppeln und Trainingsinfrastruktur müssen laufend gewartet und regelmäßig ausgebessert bzw. saniert werden. Dazu kommen die laufenden Fixkosten für den Betrieb der Anlage, wie z.B. Strom, Wasser, Versicherungen etc. 

Für die Verpflegung der Pferde entstehen durch den Kauf oder die Produktion von Heu, Stroh und Zusatzfuttermitteln weitere Aufwände. In größeren Ställen zählen hierzu auch die Anschaffung und Instandhaltung von Maschinen wie (Hof-)Traktoren.

Da die Pferdebetreuung aufwändig ist, fallen in vielen Ställen auch Personalkosten an. Achtung bei Familienbetrieben: Auch wenn helfende Familienmitglieder nicht angestellt werden, entstehen Kosten – und zwar Opportunitätskosten, die mitunter sehr hoch sein können.

Das sind jene Kosten, die dadurch entstehen, dass andere Möglichkeiten nicht wahrgenommen werden. Arbeitet ein Familienmitglied z.B. 30 Stunden die Woche  gering bezahlt oder ganz unentgeltlich im heimischen Betrieb, könnte aber in der gleichen Zeit einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis für einen Nettolohn von € 2.000,- nachgehen, so betragen die Opportunitätskosten eben diese € 2.000,- im Monat. 

Daraus ergibt sich, dass in der Pferdehaltung sowohl die Fix- als auch die variablen Kosten relativ hoch sind. Zudem gibt es kaum skalierbare Geschäftsmodelle. Das heißt, dass immer nur pro Pferd (Unterrichtsstunde, Fohlen, etc.) verdient wird, die Umsätze sind also selbst bei idealer Auslastung beschränkt. Das Ziel muss daher sein, im machbaren Maße die Einnahmen zu erhöhten und gleichzeitig die Kosten zu senken, um so den Gewinn zu maximieren – wobei dieses Senken der Ausgaben natürlich nicht auf Kosten der Tiere passieren darf (durch verringerte Mengen an Streu und Futter z.B.). 

Ein mit den hohen Kosten zusammenhängendes Problem in der Pferdebranche sind die Preise, die verlangt werden können. Häufig bieten Ställe ihre Leistungen aufgrund des Preisdrucks in der Umgebung weitaus günstiger an, als sie es aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet tun sollten. Hier können unter Umständen ein durchdachter USP (Unique Selling Point) oder die Diversifikation des Angebots Abhilfe schaffen und höhere Preise rechtfertigen (Heise, Müller, Theuvsen, 2013).

„Die Konzentration auf das operative Tagesgeschäft reicht nicht aus, um einen Pferdebetrieb wirtschaftlich und zufriedenstellend bewirtschaften zu können.“

(Heise, Müller Theuvsen, 2013).

Zeitaufwand

Zeit ist Geld, das gilt auch in der Pferdehaltung. Jede Minute, die mit der Versorgung der Pferde und der Instandhaltung der Anlage verbracht wird, kann nicht in gewinnbringendere Tätigkeiten investiert werden – mal ganz abgesehen davon, dass der Arbeitsaufwand oft enorm ist und das gerade in kleineren Ställen häufig nur sehr wenig Freizeit für die Betreiber bedeutet. 

Den Zeitaufwand für die Versorgung der Pferde kann man durch die Wahl einer geeigneten Haltungsform und diverser Automatisierungsmöglichkeiten deutlich reduzieren, gewisse andere Dinge aber, wie die Instandhaltung der Anlage, lassen sich höchstens auslagern und stellen in jedem Fall einen hohen Aufwand dar. 

Kommerzielle Pferdehaltung_Stall mit Einzelboxen
Kommerzielle Pferdehaltung_Stall mit Einzelboxen

Je nachdem, um welche Art von pferdehaltendem Betrieb es sich handelt, kommen mitunter beachtliche zeitliche Aufwände für organisatorische Tätigkeiten hinzu. Dazu zählt eine saubere Buchhaltung genauso wie Terminvereinbarungen für Besichtigungen, Proberitte oder Unterrichtseinheiten. 

Alle Aufwände, seien sie zeitlich oder finanziell, sollten entsprechend abgegolten werden können. Hier entsteht die größte Schwierigkeit: Die Aufwände sollten so minimiert werden, dass bei bester Versorgung der Tiere immer noch ein konkurrenzfähiger Preis für die angebotenen Leistungen verlangt werden kann. 

Geringe Flexibilität

Pferde müssen täglich versorgt werden, unabhängig von Haltungsform, Wetter oder Jahreszeit. Zudem kommen regelmäßig anfallende Arbeiten wie Heuproduktion, Anweiden, Koppelpflege etc. hinzu, die nicht verschoben werden können.

Dies sorgt für eine sehr geringe zeitliche Flexibilität.  Gerade in kleineren Ställen wird die tägliche Arbeit von den Betreibern das ganze Jahr über selbst verrichtet, was wiederum bedeutet, dass es kaum Möglichkeiten für Urlaube und manchmal nicht einmal für Krankenstände gibt. Opfert man seine gesamte Zeit und Energie, leidet (verständlicherweise) nicht selten die Leidenschaft für die Tiere und den Sport darunter. Darum sollte unbedingt versucht werden, ein Modell der Pferdehaltung zu finden, dass trotz allem zumindest genügend Freizeit erlaubt.

Erholung für Stallbetreiber sollte kein Luxus, sondern Selbstverständlichkeit sein und mit der Wirtschaftlichkeit des Betriebes nicht in Konkurrenz stehen!

Potentiell schwierige Kunden

Wenn man in der Pferdebranche tätig ist, ist man das in der Regel in erster Linie aus Liebe zum Pferd. Die eigentlichen Kunden sind aber – unabhängig von der Betriebsform – die Menschen. Sie zahlen für die angebotenen Leistungen und machen dadurch die Existenz der Betriebe erst möglich. Daher ist jeder Betrieb in der kommerziellen Pferdehaltung im Grunde ein Dienstleistungsbetrieb.

Leider sind die menschlichen Kunden aber auch oft die größte Quelle für Frust und Ärger. Auch wenn die meisten Einsteller und Reitschüler nette, pferdebegeisterte Menschen sind, so sind es doch leider immer die schwierigen Einzelfälle, die am meisten auffallen und Stallbetreibern das Leben schwer machen. 

Dazu gehören nicht zahlende Stallnomaden genauso wie chronische Nörgler, denen man einfach nichts Recht machen kann, oder Reiter mit brutalen Trainingsmethoden, die am Hof für schlechte Stimmung sorgen. Nicht selten liest und hört man daher, dass Betriebe auf andere Geschäftsmodelle als das Einstellen fremder Pferde umgestiegen sind. Hat man hingegen eine ruhige und freundliche Stallgemeinschaft, macht auch die Arbeit mit Einstellern Spaß. 

Genau da liegt der Knackpunkt: Jeder Betrieb muss für sich ein individuelles Modell finden, dass den Vorlieben und Bedürfnissen der Besitzer sowie den Gegebenheiten des Betriebs und der Umgebung entgegenkommt. So kann der Betrieb langfristig gewinnbringend und für alle Beteiligten zufriedenstellend geführt werden. 

Fazit

Die kommerzielle Pferdehaltung stellt Stallbetreiber, unabhängig vom Geschäftsmodell des Betriebes, vor große Herausforderungen und verlangt ihnen viel ab. Mit der richtigen Planung und Herangehensweise kann die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes und die Zufriedenheit der Betreiber allerdings stark erhöht werden. Mehr dazu und zu den wichtigsten Kennzahlen in den folgenden Artikeln!

Quellen:

Heinke HEISE, Janina MÜLLER und Ludwig THEUVSEN (2013). Unternehmerisches Handeln in Pferdebetrieben: Erfolgsfaktoren für die Wirtschaftlichkeit. Erschienen in 23TH JOURNAL OF THE AUSTRIAN SOCIETY OF AGRICULTURAL ECONOMICS. 

Gerlinde Hoffmann, Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (2009). Orientierungshilfen Reitanlagen- und Stallbau. FN-Verlag.