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Jeder Pferdebesitzer möchte sein Pferd langfristig gesund, zufrieden und leistungsfähig halten – schließlich möchte man so viel Zeit wie möglich mit seinem Freizeitpartner verbringen können. Allerdings wirken viele heute gängige Standards in Haltung, Fütterung und Training der Pferdegesundheit sogar aktiv entgegen.
Was also braucht es, um die Gesundheit eines Pferdes zu erhalten und zu fördern?
Im Grunde ist die Antwort darauf ganz einfach: Seine Bedürfnisse müssen erfüllt werden. Es muss so leben dürfen, wie es seinen natürlichen Voraussetzungen entspricht.
Gesundheit – eine kurze Definition
Sehen wir uns zu Beginn an, was „gesund“ eigentlich bedeutet. Lange Zeit wurde Gesundheit als die Abwesenheit von Krankheit oder Verletzung betrachtet. Man war also entweder gesund oder nicht. Diese Definition ist allerdings bei genauer Betrachtung kaum geeignet, um „Gesundheit“ zu beschreiben. Sie berücksichtigt weder, ob durch Krankheiten oder Verletzungen tatsächlich Einschränkungen bestehen, noch die individuelle Wahrnehmung oder die vielen möglichen Abstufungen diverser Krankheitsbilder.
Die WHO definiert Gesundheit als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“ und geht damit schon einen Schritt weiter – sie bezieht ganz bewusst psychische und soziale Aspekte mit ein.
Die gerade für Pferdebesitzer praktikabelste Definition ist unserer Meinung nach allerdings das Salutogenesemodell nach Antonovsky. Laut diesem Modell ist Gesundheit vereinfacht gesagt ein Prozess, der durch diverse Faktoren beeinflusst wird. Dabei bewegt man sich laufend auf einer Skala, an deren Enden „Gesundheit“ und „Krankheit“ stehen. Dieses Modell zeigt besonders gut, welchen Einfluss man selbst auf seine Gesundheit hat (bzw. in unserem Fall auf die unserer Pferde). Wir können also durch unser Verhalten und die Gestaltung der Lebensumwelt unserer Pferde aktiv Einfluss auf ihre Gesundheit nehmen.
Wenn man sich mit gesundheitsfördernden Maßnahmen auseinander setzt, sollte man sein Pferd möglichst ganzheitlich betrachten und seine Lebensgeschichte mitbedenken. Doch auch Pferde, die bereits mit gesundheitlichen Problemen zu uns kommen, können ihren Gesundheitszustand deutlich verbessern – wenn wir ihnen dabei helfen.
Körperliche Voraussetzungen
Jedes Pferd bringt bedingt durch seinen Körperbau, seine Rasse, seine Vorgeschichte, seinen Charakter und seine Erbanlagen andere Voraussetzungen mit – selbst Jährlinge sind bereits durch Aufzucht und die Wahl der Eltern stark geprägt. Wir sollten uns sehr genau mit diesen Gegebenheiten auseinandersetzen, um bestmöglich auf eventuelle Schwachpunkte eingehen zu können.
Denn einerseits kann es notwendig sein, einem Pferd mit Gebäudemängeln durch extra abgestimmtes Training besonders zu „helfen“ um keine körperlichen Schäden davonzutragen. Andererseits kann Training, dass auf die körperlichen Einschränkungen des Pferdes keine Rücksicht nimmt oder schlicht den natürlichen Bewegungen des Pferdes widerspricht, dem Tier auch schaden (Stahlecker, 2015).
An dieser Stelle möchten wir auch erwähnen, dass es nur fair dem Pferd gegenüber ist, es sich nach den eigenen (sportlichen) Wünschen auszusuchen. Nicht selten sehen wir, dass Pferde entgegen ihrer Eignung und physischen wie psychischen Voraussetzungen genutzt werden. Das führt über kurz oder lang zu Frust auf beiden Seiten.
Ebenfalls zu den körperlichen Voraussetzungen zählt der Genotyp des Pferdes, also seine Erbanlagen. Zahlreiche (Erb-)Krankheiten treten vor allem bei bestimmten Rassen auf. Einige davon sind unheilbar, andere kann man durch geeignetes Management in den Griff bekommen. Teilweise entstehen dadurch allerdings erhebliche Kosten und Aufwände. Man sollte sich daher vor dem Pferdekauf genau informieren, ob das gewünschte Tier entsprechende Anlagen trägt oder gar schon Symptome zeigt.
Faktor Haltung
Die Haltung von Pferden hat nicht nur großen Einfluss auf die körperliche, sondern auch auf die emotionale und psychische Gesundheit der Pferde. Hat man sich mit den Grundbedürfnissen eines Pferdes auseinandergesetzt, ist es nur naheliegend, dass gewisse Haltungsformen der Pferdegesundheit schaden.
Hier muss im Speziellen die Einzel- und Boxenhaltung von Pferden angesprochen werden. Achtung: Wir sprechen hier nicht von einer Haltung, bei der die Pferde täglich in Gruppen ins Freie kommen und „nur“ nachts in der Box sind – das ist zwar nicht ideal, aber durchaus vertretbar. Wir meinen hier die dauerhafte Haltung in Einzelboxen entweder völlig ohne Koppelgang oder mit nur wenigen Stunden am Tag.
Auch wenn sie nach wie vor gängig und für den Besitzer praktisch ist, ist die Boxenhaltung aus gesundheitlicher Sicht nicht zu empfehlen. Das Pferd kann seine Bedürfnisse nach Bewegung und Sozialkontakt nicht ausleben, was zu zahlreichen unerwünschten Konsequenzen führen kann. Angelaufene Beine, schwache Muskulatur, Verhaltensauffälligkeiten und Atemwegserkrankungen sind nur einige davon.
Um ein Pferd langfristig gesund zu halten, braucht es viel Bewegung, Licht und saubere Luft. Diese Voraussetzungen werden am besten in gut geplanten Offen- und Bewegungsställen erfüllt, aber auch anderen Haltungsformen können bei entsprechendem Management und ausreichend großen Flächen gut für die Pferdegesundheit sein (oder ihr zumindest nicht direkt schaden). Ein weiterer Bonus an einer korrekt umgesetzten Haltung in Offen- und Bewegungsställen ist, dass die Atemwege durch Heustaub und Einstreu weit weniger belastet werden, als in geschlossenen Ställen.
Bewegung ist für die Pferdegesundheit absolut unerlässlich. Freilebende Pferde bewegen sich am Tag etwa 12-18 Stunden schrittweise fort und legen dabei im Durchschnitt zwischen 6 und 11 Kilometer fort (bei entsprechender Lage der Futter- und Wasserstellen auch deutlich mehr). Diese langsame, aber stetige Bewegung hält Gelenke, Bänder, Sehnen und Knochen „fit“ und belastbar und tut dem Pferd auch psychisch gut.
An dieser Stelle möchten wir auch auf Stallwechsel eingehen. Natürlich sind sie manchmal nötig, für das Pferd aber bedeutet jeder Stallwechsel Stress. Es wird aus seiner gewohnten Umgebung gerissen, verliert seine Koppelpartner und muss sich an neue Routinen gewöhnen. Und das alles, ohne dass es weiß, was passiert. Jeder Wechsel sollte daher sorgfältig abgewogen werden.
Faktor Fütterung
Neben der richtigen Haltung ist auch eine fachgerechte Fütterung essentiell. Besonders wichtig ist, dass Pferde über lange Zeiträume große Mengen an hochqualitativem Raufutter (Heu) zu sich nehmen können. Am einfachsten wird das durch die Fütterung aus Heunetzen und/oder (zeitgesteuerten) Heuraufen erreicht.
Bei der Heuqualität ist besonders wichtig, dass das Heu nicht staubt – denn wenn Pferde auf Dauer staubiges Heu fressen müssen, wirkt sich das auch negativ auf die Atemwege aus (ganz besonders in geschlossenen Ställen!).
Gutes, für das Pferd gesundes Heu riecht aromatisch, hat eine grüne bis grünliche Farbe, ist langstängelig (=spät geschnitten) und frei von Schadstoffen.
Zusätzlich zum Heu sollte Mineralfutter gefüttert werden.
Je nach Arbeitsintensität und individuellen Bedürfnissen kann auch die Gabe von Kraftfutter ratsam sein, sie sollte aber immer wieder überdacht und angepasst werden. Prinzipiell empfehlen wir, auf heubasierte Mischungen oder Hafer (statt Müslis) zurückzugreifen – sie schonen den Verdauungstrakt und kommen der natürlichen Ernährung des Pferdes am nächsten.
Im Laufe eines Pferdelebens ändern sich die Bedürfnisse. Die Fütterung sollte daher immer wieder angepasst werden, insbesondere die Vitamin- und Mineralstoffmengen. Für jeden Pferdebesitzer empfehlenswert ist es daher, sich umfassend zu informieren und sich am besten entsprechende Fachliteratur zuzulegen – als Besitzer sollte man in der Lage sein, das Fütterungsmanagement im Stall zu beurteilen!
Mit der Fütterung hängt auch das Gewicht eines Pferdes zusammen. In unseren Breiten sieht man relativ selten zu dünne Pferde, dafür aber viele, die zu dick sind. Übergewicht kann auch bei Pferden zu Problemen führen und ist daher zu vermeiden. Dafür sollte zuerst das Kraftfutter reduziert und das Bewegungspensum erhöht werden. Heumengen sollten nur dann verringert werden, wenn trotzdem lange Fresszeiten gewährleistet werden können.
Stellt man das Futter seines Pferdes um, sollte das nur langsam passieren. Pferde haben einen empfindlichen Verdauungstrakt und können auf plötzliche Umstellungen oder hohe Gaben an ungewohnten Futtermitteln unter anderem mit Koliken reagieren.
„Pferdefütterung“ von Meyer und Coenen (bzw. in der neueren Auflage Coenen und Vervuert) sollte man als Pferdebesitzer gelesen haben. Dieses Buch beschäftigt sich auf fast 500 Seiten mit allen Aspekten der Pferdefütterung und ist sein Geld auf jeden Fall wert.
Faktor Training
Der Faktor „Training“ ist im Zusammenhang mit der Gesunderhaltung des Pferdes ein zweischneidiges Schwert. Einerseits gibt es zahlreiche Trainingsmethoden, die der Pferdegesundheit schaden, andererseits ist ein pferdegerechtes Training essentiell, wenn wir das Pferd für unsere Zwecke nutzen wollen.
Beginnen wir mit letzterem. Pferde sind nicht dafür gemacht, etwas auf ihrem Rücken zu tragen. Verlangen wir das trotzdem von ihnen, müssen wir dafür sorgen, dass sie ihre Arbeit langfristig ohne Schäden und Schmerzen erledigen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Pferd für den Sport oder nur als Freizeitpartner genutzt wird – ohne eine konsequente Stärkung und Gymnastizierung geht es nicht. Die Konsequenzen wären Schäden am Bewegungsapparat, Verletzungen, Rückenprobleme, Trageerschöpfungen etc..
Die Kunst liegt darin, das Training effizient und trotzdem pferdegerecht zu gestalten. Hierbei hilft ein guter Trainer, der wirklich(!) weiß, wovon er redet. Und auch hier gilt: Der Pferdebesitzer ist in der Bringschuld. Es liegt an uns, uns bestmöglich mit Themen wie der Gymnastizierung auseinanderzusetzen. Unwissenheit nimmt uns nicht aus der Verantwortung. Wir sagen das deshalb so deutlich, weil sehr viele für das Pferd schädliche Dinge aus Unwissenheit des Besitzers geschehen – und die Pferde sind dabei die Leidtragenden.
Korrektes Training kann die Pferdegesundheit also aktiv fördern. Es kann Verspannungen lösen, Gangbilder verbessern, das Körpergefühl schulen und Pferde selbstbewusster werden lassen. Die Basis für pferdegerechtes Training sollten dabei unabhängig von der Reitweise immer klassische Grundsätze sein. Sie entstanden aus dem Bedürfnis, Pferde über lange Zeit hinweg nutzen zu können – die Tiere wurden vielfältig beansprucht und mussten oft auch in ihren 20ern noch leistungsfähig sein. Die Orientierung an diesen Grundsätzen hat also bis heute ihre Berechtigung. Besonders treffend beschreibt dies folgendes Zitat von Klaus Balkenhol:
(…) Dabei ist die klassische Ausbildung die Basis für alle Reiterei. Erst durch sie bekommt ein Pferd die Kraft, die Lektionen, die im Sport gefordert werden, zu absolvieren, ohne Schaden zu nehmen. Klassik meint, das Pferd seinen natürlichen Anlagen entsprechend zu stärken und sich dadurch die die Basis zu schaffen, auf der man – in jeder Disziplin – aufbauen kann.
Klaus Balkenhol
Inkorrektes Training kann im Gegenzug schädlich sein. Es ist kein Zufall, dass so viele Pferde unter Sehnenschäden, Rittigkeitsproblemen, Rückenschmerzen etc. leiden. Konkret sind einige der Risikofaktoren im Training mangelnde Fitness (ein sehr weit verbreitetes Problem!), Gebäudemängel, unpassende Ausrüstung, falsche Technik (sprich: inkorrektes Training und unzureichende Reitkenntnisse), das Gewicht des Reiters sowie Unfälle (Bromiley, 2007).
In diesem Zusammenhang möchten wir euch das Buch „Der Reiter formt das Pferd“ von Udo Bürger und Otto Zietzschmann ans Herz legen. Dieses Werk ist völlig verdient inzwischen ein Klassiker und absolute Pflichtlektüre für jeden Pferdemenschen.
Weitere Faktoren
Neben Haltung, Fütterung und Training spielen natürlich auch andere Faktoren eine wichtige Rolle für die Erhaltung der Pferdegesundheit. Insbesondere – aber nicht nur – eine regelmäßige Kontrolle der Zähne sowie eine individuelle Hufbearbeitung und -pflege. Beides, Huf– und Zahnprobleme, führen über kurz oder lang zu erheblichen gesundheitlichen Problemen und sind im Grunde leicht vermeidbar.
Außerdem wichtig sind regelmäßige Impfungen, bei Bedarf Entwurmungen und hin und wieder ein (großes) Blutbild, um den Allgemeinzustand des Pferdes vollumfänglich beurteilen zu können. Besonders alte Pferde sollten in kürzeren Abständen kontrolliert werden, um unerwünschten Entwicklungen möglichst frühzeitig entgegenwirken zu können.
Fazit – das Pferd langfristig gesund halten
Das Wohlbefinden unserer Pferde ist zu 100% von uns als Besitzer abhängig. Wir sind daher in der Verantwortung, uns bestmöglich zu informieren und die physische und psychische Gesundheit unserer Pferde an erste Stelle zu stellen.
Orientiert man Haltung, Fütterung, Training und Umgang an den Grundbedürfnissen des Pferdes, ist man bereits auf einem guten Weg, sein Pferd langfristig gesund, leistungsfähig und zufrieden zu halten. Kommen dann noch regelmäßige Kontrollen, eine gründliche Zahn- und Hufpflege sowie die nötigen Impfungen und Check Ups hinzu, wird man lange Freude haben an seinem Partner.
Quellen:
Bender, Ingolf, Tina Maria, Ritter (2008). Praxishandbuch Pferdegesundheit. Kosmos.
Bromiley, Mary (2007). Equine Inury, Therapy and Rehabilitation. Blackwell.
Bürger, Udo, Zietzschmann, Otto (1987, Nachdruck 2010). Der Reiter formt das Pferd. Tätigkeit und Entwicklung der Muskeln des Reitpferdes. FN Verlag.
Coenen, Manfred, Vervuert, Ingrid (2019). Pferdefütterung. Thieme.
Schöffmann, Britta (2007). Klaus Balkenhol. Dressurausbildung nach klassischen Grundsätzen. Kosmos.
Stahlecker, Fritz (2015). Dressurreiten. Ideal und Wirklichkeit. Kritik am Heute. Cadmos.